Der Begründer der Schematherapie, Jeffrey Young, war ab 1980 klinischer Direktor des Beck‘schen Zentrums für kognitive Verhaltenstherapie. Als Mitarbeiter am Institut von Aaron Beck fiel ihm auf, dass ein Teil der Patienten nicht genügend von der Kognitiven Therapie profitierte, unter anderem weil die Patienten sich nicht ausreichend auf die Therapie einlassen konnten. Die Therapieergebnisse waren vor allem bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen unbefriedigend. Young beobachtete, dass diese Patientengruppe nur bedingt von strukturierten, kognitiven Konzepten profitieren konnte, denn sie waren primär beziehungs- bzw. interaktionsgestört. Als Teil dieses Störungsspektrums zeigte sich auch, dass diese Patienten immer wieder wechselnde, emotionale Schwankungen, Probleme und Symptome aufwiesen. Das erschwerte ein stringentes, kognitives Vorgehen. Young arbeitete drei wesentliche Bereiche heraus, die er in dem kognitiv-behavioralen Modell nicht berücksichtigt sah:
- Die biografische Entstehung von überdauernden Erlebens- und Verhaltensmustern
- das emotionale Erleben des Patienten und
- die Beziehung zwischen Patient und Therapeut im Hier und Jetzt.
1984 formulierte er bereits seine ersten Ideen in Form von Seminarskripten, in denen er diese drei Aspekte berücksichtigte. Young entwickelte sein Konzept der Schematherapie immer weiter, indem er Elemente und Techniken aus anderen Therapieansätzen zu einem konsistenten, verhaltenstherapiekompatiblen Modell verband.
Die Schematherapie entspringt also dem Ansatz der kognitiven Verhaltenstherapie, die den Vorteil einer klaren Konzeptualisierung und eines leicht verständlichen und rationalen Vorgehens hat. Schematherapie bezieht sich dabei aber nicht nur auf aktuelle Interaktionsprobleme, sondern fokussiert auch auf deren Entstehungsgeschichte, die überwiegend in der Kindheit und Jugend liegt.
Die konventionelle Anwendung der Schematherapie hat noch viele Gemeinsamkeiten mit der Kognitiven Therapie, wenn auch unter Einbeziehung für die Verhaltenstherapie neuer erlebnisaktivierender Techniken. Der hier dargestellte schematherapeutische Ansatz geht darüber hinaus den Schritt von einer kognitiven zu einer metakognitiven Perspektive, was die Schematherapie zu einer Methode der „dritten Welle“ macht (Hayes, 2004; Roediger & Zarbock, 2013). Dies findet in der Konzeptualisierung des „gesunden Erwachsenenmodus“ (siehe im Folgenden vor allem Kap. 4.5 und 4.6) als metakognitive „innere Außenperspektive“ seinen Ausdruck, was neben der konsequenten Anwendung der erlebnisaktivierenden Techniken eine wesentliche Erweiterung gegenüber der klassischen Kognitiven Therapie darstellt.
Bei welcher Patientengruppe ist der Einsatz von Schematherapie sinnvoll?
Die Schematherapie kann für fast alle Persönlichkeitsstörungen eingesetzt werden und ist darüber hinaus für Persönlichkeitsstrukturen anwendbar, die Achse-I-Störungen aufrechterhalten. Entsprechend gibt es erste Modelle und klinische Evidenzen für eine Anwendbarkeit bei therapierefraktären Achse-I-Störungen, zum Beispiel therapieresistenten Zwangsstörungen (Gross, Stelzer & Jacob, 2012), Essstörungen (Simpson, Morrow, van Vreeswijk & Reid, 2010) und chronischen Depressionen (Renner, Lobbestael, Peeters, Arntz & Huibers, 2012).
Nicht indiziert ist nach Ansicht der Autoren eine Schematherapie dann, wenn bereits durch den Einsatz von verhaltenstherapeutischen Basisstrategien eine ausreichende Besserung erzielt werden kann, zum Beispiel bei Problemen, die nicht als Teil eines überdauernden Musters verstanden werden müssen. Dennoch können schematherapeutische Erklärungsansätze auch hier im Sinne einer biografisch-systemischen Ausrichtung der Verhaltenstherapie helfen, das Bedürfnis der Patienten nach Ursachenklärung und biografischer Einordnung des Störungsgeschehens zu befriedigen (Zarbock, 2008).
Besondere Vorsicht ist mit Schematherapie bei allen Störungen des Psychosespektrums geboten, da bisher galt, dass der Einsatz der emotionsaktivierenden Techniken eine psychotische Dekompensation begünstigen kann. Eine neue Studie zur Trauma-Exposition bei Patienten mit einer schweren psychotischen Störung und einer Posttraumatischen Belastungsstörung (van den Berg et al., 2015) konnte aber zeigen, dass diese Patientengruppe von emotionsaktivierenden Techniken wie der Pronlonged Exposure (PE) und der Eye Movement Desensitization and Reprocessing Therapie (EMDR) profitieren kann und die Anwendung von PE und EMDR keine psychotischen Zusammenbrüche provozierte. Diese Ergebnisse ermutigen auch hinsichtlich der möglichen Anwendung von Schematherapie bei Patienten, die neben der Persönlichkeitsstörung komorbid unter einer psychotischen Störung leiden. Zu Bedenken bleibt aber, dass manche psychotischen Patienten mit kognitiven Einschränkungen (bzw. einem gering ausgeprägten gesunden Erwachsenenmodus) belastet sind, sodass der Schematherapieansatz zu komplex für dieses Klientel sein kann.
Patienten mit einer Erkrankung aufgrund einer hirnorganischen Störung und Patienten mit einer entgiftungspflichtigen Substanzabhängigkeit stellen ebenso eine Kontraindikation für Schematherapie dar, da der Substanzgebrauch die Wirkung der emotionsfokussierenden Interventionen und eine systematische Kooperation behindert. Patienten mit einer Substanzabhängigkeit sollten daher vor Beginn einer Schematherapie eine suchtspezifische Behandlung durchlaufen haben und ausreichend abstinenzfähig sein.
Bei Patienten mit einer Anorexie Nervosa muss ab einem Body Mass Index (BMI) unter 17 davon ausgegangen werden, dass schematherapeutische Interventionen unter anderem aufgrund mangelnder Konzentrations- und kognitiver Leistungsfähigkeit nicht mehr zuverlässig greifen können.